Ihr Glaube bestärkt sie in ihrem Tun
Bückeburg (mig). Der Pfarrgemeinderat der katholischen Gemeinde Bückeburg hat die Erinnerungen von Hans Steinhage ins Deutsche übertragen und in Buchform herausgegeben. Das 80-seitige Dokument trägt den Titel „Widerstand durch das Wort“ und beschreibt unter anderem, was Hans Steinhage, Mitarbeiter des Nazi-„Staatsfeinds Nr.1“, des Bückeburger Jesuitenpaters Friedrich Muckermann, im KZ Sachsenhausen erleiden musste. Anlässlich einer Feierstunde und im Beisein von Autor Hans von Harten wurde der Band am Freitag der Öffentlichkeit vorgestellt.
„Diese Aufzeichnung ist nicht die große Geschichte über den Zweiten Weltkrieg. Es ist jedoch eine sehr bemerkenswerte Geschichte“, schreibt Autor Hans von Harten in das Vorwort zur holländischen Ausgabe, und eigentlich ist mit diesen zwei Zeilen schon alles gesagt, denn „Widerstand durch das Wort“ ist tatsächlich vor allem eine Familiengeschichte. Das Buch beschreibt das Schicksal einer Familie, die schon bald nach der Machtergreifung Hitlers Widerstand leistet gegen Nazismus. „Das war kein alltägliches Phänomen in Deutschland und nicht ohne Risiko“, kommentiert von Harten knapp. Die achtköpfige Gruppe musste jederzeit mit ihrer Festnahme, ja sogar mit dem Tod rechnen. Ihr Glaube bestärkte sie in ihrem Tun. Darin ähnelt die Familie dem protestantischen Theologen Dietrich Bonhöfer, der ebenfalls für die Verfolgten eintrat und dafür mit seinem Leben bezahlte. Während aber Bonhöfers Geschichte weithin bekannt ist, war die Geschichte der Steinhages bisher ungeschrieben. Das hat sich mit Erscheinen der deutschen Ausgabe, nachdem das Buch vor Kurzem in Holland erschienen ist, geändert.
Zur Chronologie: Widerstand leistete Josef Steinhage (der Vater von Hans), indem er gemeinsam mit dem 1934 nach Holland geflüchteten Friedrich Muckermann die christlich orientierte Zeitung „Der deutsche Weg“ herausgab. Das hatte schlimme Folgen: Hans Steinhage und seine Schwesters Mirz’l wurden nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Holland anstelle des untergetauchten Vaters verhaftet. Hans Steinhage wurde ins KZ Sachsenhausen (Häftlings Nummer: 34735), seine Schwester ins KZ Ravensbrück gebracht. Beide mussten dort etwa fünf Jahre ausharren. Nach dem Krieg wollte Steinhage zunächst nicht über diese Zeit sprechen. „Das ist über 60 Jahre her, das belastet mich heute nicht mehr“, sagte er, als er 2007 bei der Namensgebung der Muckermann-Passage auf die Gefangenschaft im Lager angesprochen wurde. Anderen Sinnes wurde Steinhage erst im Jahr 2008 – mit seinem Besuch redete er sogar freimütig über seine Zeit in Sachsenhausen und zeigte seine KZ-Kleidung. „Wie schlimm müssen die Ereignisse gewesen sein, dass er 60 Jahre nicht darüber sprechen konnte“, formuliert der Vorsitzende des Pfarrgemeinderats, Joachim Kersting, rückblickend.
Was Hans Steinhage erlitten hat, ist jetzt in der deutschen Ausgabe von „Widerstand durch das Wort“ nachzulesen. In einem Tempo, das atemlos macht, erzählt der 90-Jährige von den grausamen Arbeitseinsätzen, von unberechenbaren SS-Leuten und schweren Infektionskrankheiten. Was sich in Ravensbrück und an anderen Orten zugetragen hat, zeigt eine kurze Passage besonders anschaulich: „Die Lagerwärter und die Offiziere benahmen sich manchmal bestialisch. Mit Mitmenschlichkeit war nicht zu rechnen. Wenn Sie einmal ein Einsehen hatten, brachte einen das sofort aus dem Konzept.“ Erst kurz vor dem Einmarsch der russischen Streitkräfte wurde das Lager 1944 evakuiert. Den anschließenden Todesmarsch beschreibt Steinhage so: „Wer nicht mitkommen wollte, wurde erschossen. Es herrschte ein unbeschreibliches Chaos (...). Wo es wohl hinging? Nach Sachsenhausen, wo tausend russische Kriegsgefangene erschossen worden waren? Nein, wir gingen nicht Richtung Sachsenhausen, wir gingen nach Norden. Ausbruch? Unmöglich. Wohin auch!“ 6000 Häftlinge wurden auf diesem Marsch entweder ermordet oder sie starben an Erschöpfung. Steinhage überlebte den Wahnsinn. „Höllenfahrt nach Hause“ ist dieser Teil des Buchs betitelt.
Weshalb er die Erinnerungen Hans Steinhages aufgezeichnet hat, erläuterte Hans von Harten im Anschluss an die Buchpräsentation. „Ich habe keinen Roman schreiben wollen, mir ging es um die Familie und darum, dass diese Geschichte nicht vergessen wird“
Artikel vom 30.06.2011 - 00.00 Uhr