Vom Schuhmacher-Gesellen zum Wohltäter aller Bedrängten
Das Kolpingwerk allgemein sowie die Kolpingfamilie Obernkirchen im Besonderen waren das Thema einer Vortragsveranstaltung im Katholischen Pfarrheim in Bückeburg.
Während es in Obernkirchen schon seit mehr als 50 Jahren einen aktiven Ableger des weltweit tätigen Katholischen Sozialwerks gibt, haben sich in den übrigen Bereichen der vergrößerten Pfarrgemeinde St. Marien kaum Aktivitäten in diese Richtung entwickelt. Grund genug, die Obernkirchener Kolpingfamilie einmal allen Interessierten aus den ehemals eigenständigen Pfarrgemeinden Bückeburg und Auetal vorzustellen.
Als Referenten konnte Detlef Geist, Vorsitzender der Kolpingfamilie Obernkirchen, Andreas Bulitta aus Hemmingen begrüßen, Vorsitzender des Kolpingwerks im Diözesanverband Hildesheim. Er referierte über den Lebensweg Adolph Kolpings, der – geboren 1813 in Kerpen – nach zehn Jahren Gesellentätigkeit als Schuhmacher sein Abitur nachholte, Theologie studierte und die Priesterlaufbahn einschlug. 1845 wurde er in Köln zum Priester geweiht und wurde 1849 Domvikar in Köln. Adolph Kolping gründete in Köln den ersten Katholischen Gesellenverein. Als er 1865 starb, gab es bereits 418 Gesellenvereine mit über 24 000 Mitgliedern. Sie wurden die Keimzelle des heutigen Kolpingwerks. Adolph Kolping wurde 1991 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen.
Das aus Adolph Kolpings Arbeit hervorgegangene Kolpingwerk ist heute als Katholischer Sozialverband mit rund 450 000 Mitgliedern in mehr als 60 Ländern der Erde tätig. Kernstück und Schwerpunkt der verbandlichen Arbeit ist das Engagement für die Familie. Geistliches Fundament ist dabei der Glaube an Jesus Christus. „Den betrachten wir aber nicht als Frömmigkeitsübung, sondern als Motivation und Auftrag“, so Andreas Bulitta. Dabei betrachte sich das Kolpingwerk ausdrücklich nicht nur als sozialer Verband, wie beispielsweise die Caritas, sondern als Sozialverband mit klar formulierten Thesen und Zielen im politischen und gesellschaftlichen Raum. „Unser Anspruch ist es, in Politik, Kirche, Gesellschaft und Arbeitswelt aktiv mitzuwirken.“ Dazu gehöre unter anderem aktive Lobbyarbeit auf bundespolitischer Ebene, beispielsweise zum Erhalt des Ladenschutzgesetztes oder zum Ausbau des Betreuungsangebots für Familien. Darüber hinaus engagiert sich das Kolpingwerk in der Erwachsenenbildung, in der Jugendarbeit und seit rund 30 Jahren besonders stark im internationalen Austausch.
Und in Zeiten immer knapperer Kassen, weniger Kirchensteuerzahler und eines gravierenden Priestermangels stelle sich die Arbeit des Kolpingwerks unter ganz neuen Vorzeichen dar. So habe früher die Diözese Hildesheim rund 300 Pfarrgemeinden umfasst. Heute sprächen Fachleute des Bistums bereits von nur noch 50 bis 60 Priestern im arbeitsfähigen Alter, so Andreas Bulitta. „Sie sehen, Ihre Fusion aus drei Pfarrgemeinden zur neuen Gemeinde St. Marien ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu dem, was auf uns alle noch zukommt. Und hier bieten sich für das Kolpingwerk ganz neue Chancen für eine aktive Glaubensarbeit vor Ort.“
Wie die bei der Kolpingfamilie Obernkirchen aussieht, schilderte Detlef Geist, seit sieben Jahren deren erster Vorsitzender. Dem heute 45-jährigen Maschinenbautechniker verhalf das Kolpingwerk in den 90er-Jahren zu einem betriebswirtschaftlichen Fernstudium, welches ihn in seinem Beruf maßgeblich voranbrachte. Gegründet wurde die Kolpingfamilie in Obernkirchen 1952 mit damals 16 jungen Menschen. Heute umfasst die Gemeinschaft 52 Mitglieder, und ihr Altersschnitt liegt, wie Detlef Geist freimütig einräumte, „inzwischen deutlich über meinem eigenen Alter“. Auch sei Jugendarbeit wie in den meisten Kirchengemeinden in den letzten Jahren nicht einfacher geworden: „Wir haben leider mehr Ab- als Zugänge.“
Die Kolpingfamilie pflegt einen sehr vielseitigen Veranstaltungskalender. So gibt es alle zwei Wochen Treffen im Katholischen Pfarrheim Obernkirchen mit Vorträgen zu den unterschiedlichsten Themen, Spieleabende und anderen geselligen Aktivitäten. Außerdem werden heimische Unternehmen oder Veranstaltungen wie das Bildhauersymposium besucht, Basare und Bastelnachmittage veranstaltet, Boule gespielt und gehandwerkert. In diesem Jahr beteiligte sich die Kolpingfamilie am 450-jährigen Reformationsjubiläum in Bückeburg und am Pilgergang nach Rehren. Seit Jahren organisiert die Gemeinschaft gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde in Obernkirchen den Martinsumzug auf dem Kirchplatz. Fester Bestandteil im Veranstaltungskalender sind außerdem der Adventsmarkt, bei dem die Kolping-Teens selbst gefertigte Krippen und fair gehandelten Kaffee aus Mexiko verkaufen, und der Kolping-Gedenktag im Dezember. Weihnachtsbaum und Krippe in der Kirche St. Joseph werden ebenfalls von der Kolpingfamilie aufgestellt.
Auch sonst ist die Gemeinschaft dort, wo es in der Kirchengemeinde etwas aufzubauen, zu organisieren oder zu reparieren gibt, zur Stelle. „Mit Rat und vor allem mit Tat.“ Geist: „Sie sehen, wir sind eine breit und vielseitig aufgestellte Gemeinschaft.“